Wenn du dich mit bedürfnisorientiertem Aufwachsen bzw. Attachment Parenting, wie man so schön sagt, beschäftigst, hast du sicher auch schon einmal von „windelfrei“ gehört. Vielleicht wachsen deine Kinder ja sogar bereits ohne Windeln auf. Doch ich weiß, dass es auch viele Eltern gibt, die zwar den Begriff „windelfrei“ kennen, aber falsche Vorstellungen davon haben oder denken, das klappt bei ihrem Kind einfach nicht, deshalb lassen sie es bleiben.
Ich habe selbst so einiges durch, von windelfrei quasi ab Tag 2 nach der Geburt, über Stoffwindeln, gelegentlichem Abhalten, Wegwerfwindeln und seit zwei Jahren ist meine große Tochter trocken und Fleur trägt mit ihren 3,5 Jahren noch gelegentlich nachts eine Windel.
Was mir nach diesen Erfahrungen als erstes zum Thema „windelfrei“ einfällt ist: Egal, wie man das Thema angeht, es sollte auf jeden Fall Spaß machen und eine Bereicherung für die Familie sein! Denn allzu oft lese ich von Eltern, die sich sehr viel Stress damit machen und sich selbst (oder ihr Kind) damit unter Druck setzen.
Außerdem denke ich, dass die Beschäftigung mit windelfrei für alle Eltern bereichernd sein kann, auch wenn man sich letztlich dagegen entscheidet, es umzusetzen. Man kommt ja sowieso nicht ganz drum rum, irgendwann wird jedes Kind trocken, aber es macht einen Unterschied, wie man generell mit dem Thema Ausscheidungsbedürfnisse umgeht.
Deshalb möchte ich in diesem Artikel ein paar meiner Gedanken dazu mit dir teilen und dir die ersten Schritte zum Abhalten erklären.
Welche Vorteile hat windelfrei?
Warum ist es sinnvoll und wichtig, sich mit windelfreier bzw. natürlicher Säuglingspflege zu beschäftigen?
Die Vorteile sind eigentlich offensichtlich: Ohne Wegwerfwindeln gibt es nicht so viel Müll oder es ist kein Waschen von Stoffwindeln nötig. Die Babys können sich außerdem freier bewegen und entwickeln so ein gesundes Körperbewusstsein. Sie liegen nicht in ihren eigenen Ausscheidungen, was auch weniger Windelausschläge bedeutet. Und wenn niemand beim Anblick des vollen Windelinhalts angewidert die Nase rümpft, bekommen sie auch keine negativen Gefühle zu ihren Körperausscheidungen.
Viele Kinder, die ohne Windel aufwachsen, lernen früher und leichter selbstständig auf’s Töpfchen oder auf die Toilette zu gehen. Das erspart den häufigen Druck der „Sauberkeitserziehung“, der von vielen Seiten spätestens dann kommt, wenn die Kinder drei oder vier Jahre alt sind. Windelfrei spart Zeit und Geld.
Hinweis: An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass „windelfrei“ noch lange nicht bedeutet, dass das Kind immer ohne Windel unterwegs ist! Meist wird der Begriff nur verwendet, wenn es eigentlich darum geht, ob abgehalten wird. Ich finde gerade die Kombination aus windelfrei und Stoffwindeln toll, weil das Kind so für den Notfall immer gut und warm gewickelt ist, die Windel aber im besten Fall trocken bleibt oder nur für’s Pipi genutzt wird.
Ein weiterer Grund für die natürliche Säuglingspflege kann die enge Bindung sein, die du dadurch zu deinem Kind bekommst und der Wunsch, unmittelbar auf seine Ausscheidungsbedürfnisse einzugehen.
Grund genug, sich das ganze näher anzuschauen!
Und warum macht es dann nicht jeder?
Erst einmal natürlich, weil die meisten hierzulande noch nie davon gehört haben, dass es überhaupt ohne Windeln funktionieren kann. Wir wurden in den letzten Jahrzehnten so von der Werbung der Windelindustrie „eingelullt“, dass es für uns heute ganz selbstverständlich ist, Windeln zu nutzen. Zudem war man in der westlichen Kultur lange der Ansicht, dass Babys sowieso noch nicht in der Lage sind, ihre Ausscheidungsbedürfnisse mitzuteilen, geschweige denn zu kontrollieren.
In vielen afrikanischen oder asiatischen Ländern ist die natürliche Säuglingspflege dagegen weit verbreitet. Viele Hintergründe und einige Studien zu dem Thema findest du übrigens in dem sehr empfehlenswerten Buch „Es geht auch ohne Windeln! Der sanfte Weg zur natürlichen Babypflege“ (Affiliate-Link) von Ingrid Bauer.
Und dann gibt es die Eltern, die ich eingangs erwähnt habe, die von windelfrei zwar gehört haben, aber es für zu aufwendig halten oder der Meinung sind, dass es bei ihrem Kind wohl einfach nicht klappt. Die Frage ist, ob es nicht „aufwendiger“ ist, ein Kind ständig zu wickeln, die Stoffwindeln zu waschen und später wieder viel Energie für die „Sauberkeitserziehung“ zu benötigen.
„Bei der natürlichen Säuglingspflege geht es in erster Linie darum, den natürlichen Rhythmus des Kindes nicht zu stören, sodass man ihn dann später nicht erst wiederfinden muss.“
Ingrid Bauer, „Es geht auch ohne Windeln!“ S. 104
Windelfrei in der Praxis
Wie genau funktioniert das jetzt mit dem Abhalten?
Wichtig ist mir, zu Beginn zu sagen, dass windelfrei ein gemeinsamer Lernprozess von dir und deinem Baby ist. Erwarte nicht, dass es auf Anhieb klappt und gib nicht zu schnell auf, wenn du mal keinen Erfolg haben solltest. Sei geduldig und liebevoll zu euch. Mit dem Stillen klappt es auch nicht bei allen auf Anhieb und trotzdem ist es glücklicherweise vielen Müttern wichtig, es weiterhin zu probieren bis es klappt. Oder wenn dein Kind später lernt, das Töpfchen zu benutzen, wirst du auch nicht erwarten, dass es vom ersten Tag an klappt. Nimm dir daher ruhig ein paar Monate Zeit, und setze dich nicht unter Druck.
In welchem Alter kannst du mit Abhalten anfangen?
Im Prinzip direkt ab der Geburt deines Babys. Wir haben es damals glaube ich am zweiten Lebenstag unserer Tochter zum ersten mal probiert und ich weiß noch, wie wir uns riesig gefreut haben, dass das zähe, schwarze Mekonium direkt in die kleine Plastikschüssel ging, und wir es nicht aus der Stoffwindel waschen mussten.
Am besten ist es daher, wenn du dich schon in deiner Schwangerschaft ganz in Ruhe mit dem Thema natürliche Säuglingspflege beschäftigst.
Wenn du aber nach der Geburt erst einmal mit deinem Kind „ankommen“ möchtest, ist das natürlich auch okay. Du kannst im Prinzip jederzeit mit dem Abhalten beginnen. Natürlich ist es für das Kind etwas schwieriger, wenn es schon sechs Monate oder älter ist und bis dahin nie auf seine Ausscheidungsbedürfnisse geachtet wurde. Hier braucht es vermutlich noch mehr Geduld und Ausdauer, bis das Kind wieder lernt seine Bedürfnisse zu spüren und auszudrücken. Aber möglich ist es auch dann!
Mit dem Abhalten beginnen
Erste Versuche
Wenn du noch unsicher bist und keine eindeutigen Signale oder Zeichen erkennst, mit denen dir dein Baby sein Bedürfnis mitteilt, beginne morgens direkt nach dem Aufwachen damit.
Im Tiefschlaf pinkeln Babys normaerweise nicht und haben daher nach dem Aufwache einen volle Blase. Die Wahrscheinlichkeit, dass dein Baby dann „mal muss“ ist recht hoch und die anfänglichen erfolgreichen Versuche motivieren dich sicher, weiterzumachen.
Abhalteposition
Um dein Baby abzuhalten, lehne es mit Blickrichtung nach vorne mit seinem Kopf und Rücken an deinen Bauch und halte es mit deinen Händen unter den Oberschenkeln oder Knien in „Hockposition“ gut fest. In dieser Position kannst du es gut über ein Gefäß oder über dem Waschbecken (Badewanne, Töpfchen, Toilette) halten und hast einen engen Körperkontakt zu ihm.
Schlüssellaute
Dann kannst du mit den Schlüssellauten beginnen, die du ab sofort bei jedem Abhalten machen solltest, sodass dein Baby sie kennenlernt. Das kann zum Beispiel beim Pipi machen ein leises „Psssssss“ oder „schschhh“ sein. Oder du sagst ganz einfach „Pipi“ oder ein anderes Wort. Für den Stuhlgang kann es helfen, wenn du selbst Drückgeräusche machst und deinen Bauch dabei ein wenig anspannst, sodass es dein Baby spürt.
Signale und Körpersprache des Babys
Um die Bedürfnisse deines Babys besser zu erkennen, kannst du es nackt auf einer Decke strampeln lassen. Beobachte es gut dabei und schau, ob du Anzeichen erkennen kannst, bevor es Pipi macht.
Manche Babys werden zum Beispiel plötzlich unruhig oder machen bestimmte Geräusche. Daran kannst du erkennen, dass gleich sie pinkeln müssen. Es gibt aber auch Babys, die keine eindeutigen Signale geben. Bei unserer Tochter war das anfangs auch so. Doch das ist kein Grund dafür, mit dem Abhalten aufzuhören. Es gibt einige Zeitpunkte, an denen du es trotzdem probieren kannst.
Wenn du magst, kannst du dich auch mit dem Thema Baby-Zwergensprache/Gebärden auseinandersetzen oder jedes mal einfach eine bestimmte Gebärde vor dem Abhalten machen (ich kenne zum Beispiel mit beiden Fäusten gegeneinander klopfen dafür). Die Gebärde kann dein Kind dann schon früher nachmachen, als es sprechen kann.
Den richtigen Zeitpunkt erwischen
Auch wenn du vielleicht keine Signale bei deinem Baby erkennst, wirst du merken, dass es bestimmte Zeitpunkte gibt, zu denen es immer wieder macht. Du bekommst nach einer Weile ein Gefühl dafür, und kannst es einfach immer wieder mit dem Abhalten probieren.
Zum Beispiel:
- beim Wickeln, wenn das Baby sowieso nackig ist
- während oder nach dem Stillen
- jedes mal nach dem Schlafen
- wenn du es aus dem Tragetuch oder der Trage geholt hast
- wenn dir deine Intuition sagt, dass dein Kind vielleicht mal wieder muss
Du kannst natürlich auch nachts abhalten, wenn dein Baby wach wird. Ich habe meine Tochter eine Zeit lang immer direkt abgehalten, als sie nachts unruhig wurde und mich dadurch geweckt hat. Dafür hatte ich ein kleines Töpfchen neben dem Bett stehen, sodass wir nicht aufstehen mussten. Eine Salzkristalllampe sorgte für angenehmes und nicht zu helles Licht. Sie machte dann meistens kurz Pipi und schlief danach beim Stillen wieder ein.
Wenn das Baby nicht will
Sicherlich wird es Situationen geben, in denen du die Signale falsch deutest und dein Baby gerade keine Bedürfnisse hat. Das wirst du daran erkennen, dass entweder nichts kommt (wobei es manchmal schon ein bis zwei Minuten dauern kann) oder es dir deutlich zeigt, dass es gerade nicht möchte, in dem es sich zum Beispiel steif macht, die Beine anzieht oder sich verbal beschwert.
Reagiere dann sofort darauf und halte es nicht weiter ab. Denke daran, dass jedes Abhalten lediglich ein Angebot ist.
Wie geht es mit windelfrei weiter?
Wenn deine ersten Versuche erfolgreich waren oder du mehr über windelfrei erfahren möchtest, empfehle ich dir auf jeden Fall die Lektüre des oben genannten Buches von Ingrid Bauer „Es geht auch ohne Windeln!“ Es macht wirklich Spaß zu lesen und du wirst merken, dass es bei der natürlichen Säuglingspflege um noch viel mehr geht, als nur die Entscheidung Windeln ja oder nein.
Falls du auf der Suche nach einem geeigneten Töpfchen bist, kann ich diesen „Thron“ (Affiliate-Link) empfehlen. 🙂 Das Innentöpfchen lässt sich einfach herausnehmen und darüber können auch schon Babys gut im Sitzen (z.B. im Bett) abgehalten werden. Wenn sie größer sind, können sie sich dann selbst darauf setzen und das Innentöpfchen ist so klein, dass man es auch gut im Waschbecken sauber machen kann.
Du wirst merken, dass es ganz schön umständlich sein kann, dein Baby jedes mal aus- und wieder anzuziehen, wenn es muss. Als Erleichterung gibt es spezielle Abhalte-Hosen sogenannte Splitpants, die eine Öffnung im Schritt haben. Fündig wirst du zum Beispiel im Online Abhalte-Laden www.abhala.de, wo du auch Stulpen oder das ebenfalls beliebte Asia-Töpfchen bekommst.
Wenn du erstmal weitere Erfahrungsberichte über windelfrei lesen möchtest, findest du diese (unter anderem meinen) zum Beispiel auf Lucias Blog „Bewusste Elternschaft“.
Falls du gerne persönliche Beratung möchtest, kannst du dir einen Windelfrei-Coach in deiner Nähe suchen – ja das gibt es tatsächlich! 😉 Einfach mal danach suchen.
Außerdem gibt es auch Windelfrei-Onlinekurse, wie zum Beispiel den WindelFREI Mini-Crashkurs (Partner-Link) von Windelfrei- und Mami-Coach Leonina von frei & geborgen. In diesem Crashkurs erhältst du etwa 30 Minuten Video-Input, mit dem du direkt bereit bist, mit windelfrei zu starten.
Wie auch immer du dich entscheidest, ich wünsche dir viel Spaß, Gelassenheit, Geduld und Mut auf deinem Weg! 🙂
Hast du dich schon mit windelfrei beschäftigt? Und hat es mit dem Abhalten geklappt oder hast du frustriert wieder aufgehört? Berichte mir doch gern in den Kommentaren davon, das würde mich interessieren!