Buchrezension | Anknüpfend an meinen letzten Artikel „Mut zur Eigenverantwortung beim Kinderarzt“, möchte ich dir heute ein Buch vorstellen, das dir dabei helfen kann, Beschwerden deiner Kinder besser einzuordnen. In „Gesundheit für Kinder“, einem wirklich dicken und umfangreichen Ratgeber, erfährst du, wie du deine Kinder dabei unterstützen kannst, gesund zu werden und zu bleiben. Außerdem hilft dir das Buch dabei, zu entscheiden, wann ein Arztbesuch sinnvoll ist, und in welchen Fällen bzw. wie du deinem Kind selbst helfen kannst. Vielen Dank an dieser Stelle an den Kösel Verlag für das Rezensionsexemplar, das mir zur Verfügung gestellt wurde.
Über die Autoren
Das Autorenteam besteht aus den Ärzten Dr. med. Herbert Renz-Polster, Dr. med. Nicole Menche und Dr. med. Arne Schäffler. Den Anstoß für das Buch gaben ihnen ihre eigenen Erfahrungen als Eltern von insgesamt 13 Kindern. In ihrem Vorwort betonen die Autoren, dass sie aus eigener Erfahrung wissen, „…dass sowohl die Schulmedizin, als auch die Naturheilverfahren wertvolle Möglichkeiten zur Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten bei Kindern beisteuern.“ (Gesundheit für Kinder, S. 6)
Ihre Empfehlungen beziehen deshalb sowohl das Wissen der Schulmedizin, als auch die Möglichkeiten der Naturheilverfahren und altbewährte Hausmittel mit ein.
Die einzelnen Themen des Buches
„Gesundheit für Kinder“ ist mit seinen über 500 Seiten in knapp DIN A4 ein wirklich dicker Schinken. Als ich das Buch zum ersten Mal in den Händen hielt, habe ich ziemlich gestaunt, wie schwer es ist. 😉 Auf jeden Fall ist klar, dass es kein Buch ist, das man nur in die Hand nehmen sollte, wenn das Kind Fieber hat oder die Windpocken. Nein, es lohnt sich unbedingt, viele Teile des Buches „einfach so“ zu lesen, auch wenn die eigenen Kinder gerade gesund sind. Vielleicht dann erst recht, denn dann hat man als Elternteil ja auch mehr Ruhe zum Lesen und findet sich im Krankheitsfall schneller im Buch zurecht.
Im Folgenden stelle ich euch die einzelnen Bereiche des Buches grob vor und gebe (jeweils in grün) ein paar persönliche Anmerkungen dazu.
Gesund sein – gesund bleiben
Hier steckt viel generelles Wissen darüber drin, wie wir Krankheiten vorbeugen können und was der Kinderarzt zur Vorsorge unternimmt.
In einem Teil dieses Abschnitts geht es zum Beispiel um die gesunde Entwicklung eines Kindes und allem was dazu gehört. Die Autoren positionieren sich hier zu einer entwicklungsgerechen Erziehung. Darunter verstehen sie „…einen Erziehungsstil, der sich an den kindlichen Bedürfnissen orientiert und dabei gleichzeitig das individuelle Entwicklungsstadium des Kindes berücksichtigt.“ (S. 45) Dazu betonen sie, dass es nicht DIE Bedürfnisse der Kinder gibt, sondern es eine individuelle Sache ist, die sich je nach Alter und Entwicklungsstufe ändert.
Meine Meinung dazu: Insgesamt kann man finde ich sagen, dass die Autoren eine bedürfnisorientierte (artgerechte) Erziehung empfehlen. Sie sind zum Beispiel davon überzeugt, dass man ein Baby nicht durch trösten oder Zuwendung verwöhnen kann. An manchen Stellen nutzen sie jedoch recht vorsichtige Formulierungen. So sprechen sie sich zum Beispiel nicht klar pro Familienbett aus, sondern schreiben dazu: „Verschiedene Veröffentlichungen sprechen sich allerdings dagegen aus, Säuglinge im Elternbett schlafen zu lassen“ (S.60), weil das Risiko des plötzlichen Kindstods bei den Kindern erhöht sei. Die Autoren relativieren allerdings anschließend wieder mit „Gestillte Kinder, die mir ihrer Mutter im Bett schlafen, haben kein erhöhtes Kindstod-Risiko, solange für ein gesundes Schlafumfeld gesorgt ist.“
Beim Thema Schlaf wird die Ferber-Methode, als „recht rigide – aber zumindest kurzfristig oft erfolgreiche“ Methode erwähnt. (Im nicht-zu-empfehlenden!-Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“ wird dazu erklärt, wie man das Kind beim Einschlafen für immer länger werdende Zeitabschnitte alleine lässt, auch wenn es weint.) Die Autoren schreiben dazu: „Die Methode ist umstritten, da ihre Auswirkungen auf die emotionale Entwicklung des Kindes nicht bekannt sind.“
Ehrlich gesagt ist mir diese Aussage zu „lasch“. Ich finde die Ferber-Methode grausam und wenn ich Berichte lese von Eltern, die diese Methode anwenden, kommen mir die Tränen! Da brauche ich nicht erst wissenschaftlichen Studien über ihre Auswirkung zu lesen. Ich kann nur vermuten, dass die Autoren versuchen, mit ihrem Ratgeber „alle“ Eltern anzusprechen (nicht nur die bedürfnisorientiert lebenden) und dass sie deshalb manche Punkte (zu denen vielleicht auch die Studien fehlen) eher vorsichtig sensibilisieren, statt sie komplett abzulehnen oder zu empfehlen.
Später geht es im ersten Teil des Buches zum Beispiel um gesunde Ernährung („ist Bio besser?“, „Fleisch oder keins?“), aber auch die Heilkraft von Kräutern und die Anwendung von Wickeln, Auflagen und Bädern wird erklärt. Verschiedene alternative Heilmethoden werden in ihren Grundlagen erklärt (z.B. Anthroposophische Medizin, Homöopathie, Akupunktur, Osteopathie).
Zum Schluss geht es um Vorsorge(untersuchungen) und Impfungen. Die Autoren empfehlen, bei Impfungen im Einzelfall abzuwägen und stellen das Für und Wider der heute empfohlenen Standartimpfungen in einer Tabelle zusammen. Sie schreiben „eine völlige Sicherheit, d.h. Schutz vor der Erkrankung und der komplette Schutz vor möglichen Nebenwirkungen der Impfung, lässt sich nicht erreichen. Deshalb muss für jede Impfung das Risiko des Impfens gegenüber dem Risiko, nicht geimpft zu sein, abgewogen werden. Und das ist gar nicht so einfach.“ (S. 133) Insgesamt sind sie jedoch trotz mancher Vorbehalte im Detail vom Prinzip der Impfungen überzeugt.
Meine Meinung dazu: Letztlich ist die Impf-Entscheidung sowieso individuell und sicher nicht allein aufgrund dieses Buches zu treffen. Wer sich schon informiert und entschieden hat, kann diese Thematik im Buch einfach überspringen und sich die restlichen Informationen zu Nutze machen. 😉
Beschwerden und erste Maßnahmen
Dieses Kapitel dient als Nachschlagewerk und erste Hilfe, wenn dein Kind Beschwerden hat/ zeigt und du den Kinderarzt nicht erreichen kannst oder willst. Die verschiedenen Arten von Beschwerden sind nach groben Rubriken (Augen, Bauch…) sortiert und in Tabellenform aufgelistet. Bei jeder Beschwerde steht neben dran, was sich dahinter verbergen könnte (mit Verweis auf die Seitenzahl zur genauen Krankheit/Ursache) und was die ersten hilfreichen Maßnahmen sein könnten. Es steht auch dabei, in welchen Fällen ein Arztbesuch Sinn macht oder sogar unbedingt notwendig ist.
Erkrankungen des Säuglings und Kinder mit Handicaps
Diese Kapitel befasst sich mit akuten Erkrankungen des Säuglings (von Gelbsucht über Koliken, Zahnen bis zur Hüftdysplasie) und geht auf Kinder mit gesundheitlichen Handicaps ein.
Kinderkrankheiten und andere Infektionen
Diese Kapitel zu den einzelnen Erkrankungen des Kindes bilden den Hauptteil des Buches. Die Kapitel sind nach den Körperorganen gegliedert. Zu jeder Erkrankung gibt es zunächst einen einleitenden Abschnitt und anschließend Details, die immer gleich gegliedert sind und auf folgende Punkte eingehen:
- Leitbeschwerden: Welche Beschwerden sind typisch für die Erkrankung?
- Wann zum Arzt: Muss mein Kind zum Arzt? Und wenn ja: wie schnell?
- Das Wichtigste aus der Medizin: Wie und warum entsteht die Erkrankung?
- Das macht der Arzt: Welche Untersuchungen sind nötig und wie wird behandelt?
- So helfen Sie Ihrem Kind: Möglichkeiten und Grenzen der häuslichen Selbsthilfe.
- Möglichkeiten der Naturheilkunde: Bewährte alternativmedizinische Verfahren.
- Vorsorge: Wie beuge ich der Erkrankung vor?
Meine Meinung dazu: Ich finde diesen Buchteil wirklich sehr gut gelungen. Er ist übersichtlich strukturiert und man bekommt einen guten Überblick über die jeweiligen Erkrankungen. Außerdem hilft er uns einzuschätzen, ob ein Arztbesuch wirklich notwendig ist, oder ob wir unserem Kind vielleicht auch selbst helfen können und wenn ja wie. Praktisch finde ich auch den Abschnitt „Das macht der Arzt“, denn mit diesen Infos kann man die Kinder gut auf den Arztbesuch vorbereiten und zum Beispiel schon mal erklären „Der Arzt wird dir nachher in die Ohren schauen“ oder „er muss Blut abnehmen“. Andererseits kann ich mir den Arztbesuch vielleicht auch sparen, wenn dort steht „Der Arzt verschreibt Antibiotika“, was ich aber meinen Kind gar nicht geben möchte. Es sind auch wie überall im Buch viele Fotos dabei, auf denen man zum Beispiel Hautausschläge oder -krankheiten gut sehen kann und die helfen, um mit den Kindern darüber zu sprechen.
Mit Kindern reisen
In diesem Kapitel gibt es Tipps für einen gelungenen und gesunden Urlaub mit Kindern. Es geht um Reisekrankheiten, mögliche Impfungen vor Fernreisen, Sonnenschutz und den Inhalt einer sinnvollen Reiseapotheke.
Erste Hilfe bei Kinder-Notfällen
Vom Nasenbluten bis zum Stromschlag – was tun in Notfällen? Darum geht es in diesem Kapitel. Ein Kapitel, das natürlich am besten schon vorsorglich gelesen werden sollte. Denn wer hat im Notfall noch Zeit in einem Buch nachzuschlagen? Deshalb informiere dich unbedingt vorab darüber, wie du bei einem Erstickungsanfall des Säuglings oder Kindes reagieren musst, was du bei Vergiftungen tun solltest und wie die Wiederbelebung bei Kindern durchzuführen ist!
Meine Meinung dazu: Am besten ist es natürlich, einen Erste-Hilfe-am-Kind-Kurs zu besuchen, um die im Zweifel lebensrettenden Maßnahmen auch selbst einmal erprobt zu haben. Aber auch dieses Buchkapitel ist ein guter Anfang dafür und sollte am besten immer mal wieder gelesen werden.
Wenn du aktuell keine Möglichkeit hast, einen Erste-Hilfe-Kurs in eurer Umgebung zu besuchen, kannst du bis dahin auch einen Onlinekurs machen. Empfehlen kann ich dir zum Beispiel den Online-Videokurs „Erste Hilfe am Kind und Säugling„ von Lukas Evis, mit dem ich selbst mein Erste Hilfe Wissen aufgefrischt habe. (Hier geht’s zum Kurs! (Partner-Link))
Neben den ganz schlimmen Notfällen geht es in diesem Kapitel auch um die Themen eingeklemmte Finger, Wunden, Insektenstiche oder Zeckenbisse.
Mein Fazit
Ein gelungenes Handbuch für Eltern, in dem man wirklich zu jeder möglichen Beschwerde oder Erkrankung hilfreiche Infos findet. Ich persönlich stimme nicht mit allen Inhalten überein, aber das muss ja auch nicht sein. Sicherlich bin ich auch voreingenommen bzw. geprägt durch meinen Hintergrund zu dem Thema, da sowohl meine Mutter, als auch meine Schwiegermutter Heilpraktikerinnen sind. Ich bin selbst schon mit alternativen Heilmethoden wie der Homöopathie u.a. groß geworden und habe zum Beispiel noch nie in meinem Leben Antibiotika bekommen/genommen.
Außerdem habe ich schon früh über meine Eltern noch weitere Alternativen zur Schulmedizin kennengelernt und aus Interesse seit meiner Jugend noch vieles zu dem Thema gelesen und gelernt. Deshalb finde ich es auch toll, dass die Naturheilkunde und altbewährte Hausmittel im Buch „Gesundheit für Kinder“ ebenso ihren Raum bekommen. Auf jeden Fall ist das Buch ein umfangreiches und zu empfehlendes Standartwerk, wenn du noch auf der Suche nach einem aktuellen Kindergesundheitsbuch bist. Im Herbst 2020 ist gerade erst die neuste vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage des Buches erschienen. (Ich beziehe mich im meinem Artikel noch auf die Auflage von 2018).
Details zum Buch
Dr. med. Herbert Renz-Polster/Dr. med. Nicole Menche/Dr. med. Arne Schäffler:
Gesundheit für Kinder: Moderne Medizin – Naturheilverfahren – Selbsthilfe. Kinderkrankheiten verhüten, erkennen, behandeln
ISBN: 978-3-466-31135-4
Hardcover, Pappband, 528 Seiten, 20,5 x 26,0 cm
Durchgehend vierfarbig mit vielen Fotos, Grafiken und Schaubildern, mit Leseband
Preis: 30 Euro
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